Das Jugendgeschichtsprojekt ist gestartet und eine Gruppe von interessierten Jugendlichen hat sich zusammen gefunden, um sich mit dem Todesmarsch aus Mülsen auseinanderzusetzen. Als Auftakt fuhren wir zur Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald, eine von zwei Gedenkstätten, die sich explizit mit einem Todesmarsch (in diesem Fall aus dem KZ-Sachsenhausen kommend) auseinandersetzt. Die zweite Gedenkstätte liegt in Sachsen-Anhalt, die Feldscheune Isenschnibbe Gardelegen, sie erinnert an das dort verübte Massaker an über 1000 Gefangenen.
In der Gedenkstätte erarbeiteten wir gemeinsam mit der Gedenkstättenmitarbeiterin die Grundlagen zum Themengebiet "Todesmarsch". Wir begingen die Open-Air-Ausstellung und begaben uns auf Spurensuche im Wald, in dem 1945 ca. 16.000 KZ-Gefangene ohne Verpflegung für mehrere Tage zusammengepfercht wurden. Die Bäume tragen heute noch die Narben aus diesen Tagen: Einschnürungen durch den provisorisch angebrachten Drahtzaun sind deutlich zu erkennen, ebenso Einritzungen, die Gefangene hinterließen, oder Stellen, an denen sie die Rinde abbrachen, um damit ihren Hunger zu stillen. Auf der Suche nach diesen Hinweisen erkundeten wir das Gelände und die Geschichte des Orts. Im Anschluss beschäftigten wir uns außerdem mit den grundlegenden Fragen zum Thema Todesmarsch: wie und warum kamen Menschen überhaupt ins Konzentrationslager, was bedeutete das Leben im Lager und warum wurden die schwachen und kranken Gefangenen überhaupt gezwungen loszulaufen, statt sie den Alliierten zu übergeben? Eine weitere Frage, die uns beschäftigte war die Abbildung von Toten in Ausstellungen. Es gibt wenige Bilder von Todesmärschen. Eine Besonderheit im Belower Wald ist es, dass diese Todesmärsche von DRK-Fahrzeugen begleitet wurden, die versuchten, den Gefangenen notwendige Versorgung zukommen zu lassen. Unter ihnen war auch Willy Pfister, der das Geschehen heimlich dokumentierte, von ihm stammen Fotos vom Lager im Belower Wald, welche die Situation der Gefangenen festhielt. Er fotografierte auch ermordete Gefangene in den Straßengräben, auch davon sind Fotos in der Ausstellung zu sehen. Gemeinsam diskutierten wir darüber, ob diese Bilder öffentlich gezeigt werden sollten. Nach dem Abendessen widmeten wir uns dann konkret dem Todesmarsch aus Mülsen St. Micheln. Wir diskutierten über Parallelen und Unterschiede zum Todesmarsch im Belower Wald.
Am zweiten Tag widmeten wir uns der Quellenarbeit zum Belower Wald und den Berichten zum Todesmarsch, um die historische Situation besser zu erfassen und zu verstehen, woher wir was über die Todesmärsche wissen können. Abschließend diskutierten wir darüber, wer Täter, Opfer, Helfer, Zuschauer oder Mitläufer war und inwiefern diese Unterteilung überhaupt Sinn ergibt.
Das Wochenende im Belower Wald war für uns sehr intensiv und alle konnten etwas Spannendes und Neues für sich mitnehmen. Für das Jugendgeschichtsprojekt haben sich erste weiterführende Fragen und Interessen herausgestellt. All das liefert die Grundlage für das weitere Vorgehen im Projekt. Als nächstes werden wir uns in Mülsen in der Fabrik treffen und über Familiengeschichte und Nationalsozialismus sprechen. Weiterhin stehen an: ein Workshop Wochenende in Schneeberg sowie eine Fahrt in die Gedenkstätte des Stammlagers Flossenbürg.